Die Entwicklung vom rationalen Denker zum irrationalen Denker


Zunächst muss geklärt werden was man unter einen rationalen und irrationalen Denker versteht:


Rationaler Denker/rationales Denken:


Ein rationaler Denker hat ein naturwissenschaftliches-rationalistisches Weltbild, das heißt, dass sich der Mensch nur auf mechanische und physische Gesichtspunkte bezieht. Dabei denkt er nur in mathematischen Verhältnissen und technischen Fakten. Er betrachtet Geschehnisse unter dem Aspekt des Zusammenhanges von Ursache und Wirkung. Zum Beispiel sieht Walter Faber, dass der Mond im Weltall "schwebt" (die Wirkung) und erklärt dies mit der Schwerkraft (der Ursache) (Seite 24). Die Sichtweise solcher Menschen ist objektiv, sachlich und wissenschaftlich. Er beobachtet, misst und wägt ab. Anhand der mechanischen und physischen Fakten ziehen sie ihre Schlüsse. Diese Menschen werden wie humanoide Roboter verglichen, die Emotionen wahrnehmen und nachahmen können, diese aber nicht verstehen und nachvollziehen können.

Irrationaler Denker/irrationales Denken:


Irrational denkende Menschen hingegen, betrachten die Welt ganz anders. Zum Beispiel schauen Sie in den Himmel und sehen eine Wolke, die wie eine Schildkröte aussieht. In dem Falle würde ein rational denkender Mensch "nur" eine Wolke sehen. Irrationale Menschen lassen sich von Gefühlen und Emotionen leiten. Aufgrund dieser Aspekte treffen sie Entscheidungen und ziehen ihre Schlüsse. Ereignisse werden aufgrund von persönlichen Erfahrungen und Sichtweisen bewertet, und nicht wie beim rationalen Denken aufgrund der Tatsachen und der Wissenschaft.



"Homo Faber" = Der Mensch der exakten Wissenschaft und Technik

Walter Faber sieht die Technik als Weltanschauung an - alles was dagegen spricht bezeichnet er als Mystik. Er ist Ingenieur/Techniker und ist somit tief in der Welt der Wissenschaft und Technik verstrickt. Er setzt Wahrscheinlichkeit gegen Fügung, Zufall gegen Schicksal, Mathematik und Technik gegen Mystik und Natur und macht sich damit zum Homo faber, zum 'Menschen als Verfertiger', der die Welt mithilfe der Technik beherrscht. Weil die Gesellschaft ein solches Weltbild erwartet und er denkt das Leben sei planbar und Zufälle könnte man mit Statistik erklären, steckt er sich selbst in dieses technische Weltbild. "Ich bin Techniker und gewöhnt, die Dinge zu sehen, wie sie sind." (Seite 24). Trotz allem kann er sich ein Leben ohne Technik nicht vorstellen. Das merkt man zum Beispiel an der Szene in der er in der Wüste feststeckt und es dort keinen Strom gibt: "..das war es ja, was mich nervös machte: dass es in der Wüte keinen Strom gibt, kein Telefon, keinen Stecker, nichts." (Seite 27). Er liebt die Technik. Er hat eine innigere Beziehung zu der Technik als zu den Menschen. Dies erkennt man daran, dass er den Roboter höher als den Menschen stellt und seine Schreibmaschine Hermes-Baby genannt hat (Seite 29). Die Technik ist ein fester Bestandteil seines Weltbildes und Leben. Walter Faber bezieht sich in seinem Weltbild sehr auf die Wahrscheinlichkeitslehre: "Das Wahrscheinliche (dass bei 6 Mrd. Würfen mit einem regelmäßigen Sechserwürfel annähernd 1 Mrd. Einser vorkommen) und das Unwahrscheinliche (dass bei 6 Würfen mit dem selben Würfel einmal 6 Einser vorkommen) unterscheiden sich nicht dem Wesen nach, sondern nur der Häufigkeit nach, wobei das Häufigere von vornherein als glaubwürdiger erscheint. Es ist aber, wenn einmal das Unwahrscheinliche Eintritt nicht Höheres dabei, keinerlei Wunder oder Derartiges, wie es der Laie so gerne haben möchte." (Seite 22). Mit der Wahrscheinlichkeitslehre, den Statistiken und seinem rationalen Denkvermögen versucht er Schickalsschlägen die Wirkung zu nehmen. Jedoch merkt man schon am Anfang des Romans, dass Walter irrational handelt. Es fängt schon nach der Notlandung an, als er spontan und von Gefühlen geleitet entscheidet, mit Herbert nach Guatemala zu reisen um Joachim zu besuchen bzw. wiederzusehen. Als er jedoch feststellt, dass sein Studienfreund tot ist, scheint es ihn kaum zu interessieren. Ganz im Gegenteil, die Technik interessiert ihn mehr. Er wundert sich wie das Radio funktionieren kann. Ein Zeichen dafür, dass Walter mit seinen Gefühlen nicht umgehen kann, ist die Tatsache, dass er sich einige Male widerspricht. Zum Beispiel sagt er erst, dass er nie heiraten will und dann erzählt er, dass er Hanna heiraten wollte. Diese ganzen Schickalsschläge, die ihm während des Romans wiederfahren, zerren an seinem Ideal und bringen ihn aus der Bahn. Als rationaler Denker kann er diese Situationen nicht meistern, da sie nicht vorhersehbar sind und wandelt sich dadurch immer mehr zum irrationalen Denker. Er lässt sich immer mehr von seinen Gefühlen leiten und legt sein rationales Weltbild Stück um Stück ab. Zum Beispiel lernt er Elisabeth kennen und macht ihr einen Heiratsantrag, er kann selber nicht sagen wieso er das getan hat und begründet diese Handlung mit Sentimentalität. Obwohl er ein rationaler Denker ist bzw. vorgibt einer zu sein, erkennt er nicht, dass Elisabeth seine Tochter ist. Er legt sich seine Rechnungen so zurecht, dass sie Joachims Tochter sein muss. Dabei müsste er als rationaler Denker nur die Tatsachen sehen und Wissenschaftlich an die Sache rangehen - was er jedoch nicht tut. Weil er sich von seinen Gefühlen für Elisabeth beeinflussen lässt, manipuliert er sich selbst und sein rationales Denken. Im Laufe der Handlung handelt Walter immer mehr irrational und lässt sich von seinen Gefühlen leiten. Die Wandlung erkennt man zum Beispiel an die Rückentwicklung seiner Reisemethoden: Flugzeug -  Schiff - Auto - Eselskarren - zu Fuß. Ein wichtiger Punkt ist auch die Schreibweise seine Berichts, anfangs schreibt er als rationaler Denker alles wissenschaftlich bzw. technisch und genau auf. Er benutzt viele Begriffe aus diesen Bereichen. Mit der Zeit jedoch ändert sich sein Schreibstil und er fängt auch an chronologische Sprünge zu machen. Nach dem Tod von Elisabeth ändert sich sein Leben schlagartig. Er reflektiert nochmal über sein Leben und erkennt schlussendlich, dass er sich gewandelt hat und entschließt sich sein restliches Leben anders zu leben: "Mein Entschluss, anders zu leben" (Seite 175).

2 Kommentare:

  1. Wow da hast du dir aber extrem viel Mühe gegeben! Aber das hat sich auch gelohnt! grade der Teil indem du sein Bezug zur Technik beschreibts trifft meiner Meinung nach voll und ganz zu.

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  2. Gut beschrieben, dieser Konflikt! "Dabei müsste er als rationaler Denker nur die Tatsachen sehen und Wissenschaftlich an die Sache rangehen - was er jedoch nicht tut. Weil er sich von seinen Gefühlen für Elisabeth beeinflussen lässt, manipuliert er sich selbst und sein rationales Denken. Im Laufe der Handlung handelt Walter immer mehr irrational und lässt sich von seinen Gefühlen leiten." - Aber sind Gefühle "irrationalß" - bzw. kommt man immer zu falschen Ergebnissen, wenn man seine Gefühle "befragt"? Ich denke, dass es überhaupt keine "gefühlsfreie" Rationalität gibt, eben weil der Mensch kein Computer ist, sondern ein Lebewesen. Auf seine Gefühle zu hören und sie rational zu deuten ist vielleicht die Kunst!

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